Die Wahrheit über das
«Keltische Baumhoroskop»
Geschrieben von von Bertram Wallrath im Monat des Ahorns 1998
Der Wunsch des Menschen zu klassifizieren ist uralt, und irgendwann hat er auch begonnen, die Psyche und die Physis des eigenen Geschlechts einzuteilen. So entstanden die verschiedenen Horoskope. Neben dem des Abendlandes, welches auf der Astrologie beruht, sind auch andere wie das "chinesische" oder das "indianische" wohlbekannt. Fast alle Völker haben ein eigenes Horoskop entwickelt, und dass ausgerechnet die Kelten kein Horoskop gehabt haben sollen, wäre eigentlich unlogisch und inkonsequent. Mangels ausgiebiger schriftlicher Überlieferungen kannten wir nur den "13-Segment-Rhythmus", der analog den Mondzyklen bzw. der westlichen Sternzeichen zwölf Bäume dem Jahr zuordnet, nebst einem zusätzlichen Baum, der die "Rauhnächte", die Zeit zwischen den Jahren, regiert.
Die Entdeckung
Um so überraschter war der Göttinger Verleger Bert Schlender, als ihm Anfang der achtziger Jahre von der Autorin Annemarie Mütsch-Engel ein "Keltisches Horoskop" vorgelegt wurde. Dieses keltische Horoskop war angeblich in Polen tradiert und von einer Volksdeutschen auf ihrem Weg in die alte neue Heimat in polnischer Sprache mitgebracht worden.
Zur Horoskop-Einteilung wurde bei allen Völkern und Kulturen Naheliegendes benutzt; in aller Regel Tiere - vom Widder bis zum Fisch im Abendland, vom Affen bis zum Pferd in China und vom Puma bis zum Frosch bei den Indianern. Dass die Kelten die Bäume verehrten, ist bekannt, dass in den Bäumen ihre Gottheiten "wohnten", auch. So war also ein von 21 Bäumen regiertes "Horoskop" logisch und passte in die bekannten geschichtlichen Gegebenheiten - um so mehr, als sich frappierende Parallelen mit dem abendländischen Horoskop ergaben, wie der Kieler Winfried Bartnick in der ersten Ausgabe herausarbeitete. Eine grosse deutsche Boulevardzeitschrift griff sofort die faszinierende Idee "Das neue Horoskop - Jeder Mensch ein Baum" auf und besorgte sich eine Lizenz des Buches "Bäume lügen nicht - Das keltische Horoskop" von dem Göttinger Verleger. Rasch folgten diverse Taschenbücher, die mit grossem Erfolg verkauft wurden.
Der Zwist
Da sich die Lizenznehmer in der Folge weigerten, die vereinbarte Lizenz zu zahlen, da es sich ja um "eine allgemein zugängliche" Tradition handle, sah sich der Verleger Bert Schlender gezwungen, die Herkunft in Polen nachzurecherchieren, zumal von Seiten der Boulevardzeitung abenteuerliche Geschichten von alten Manuskripten, die in einem geheimen polnischen Kloster ihren Besitzer wechselten, kolportiert wurden. Bei der Recherche kam dann Überraschendes zu Tage.
Der "Schwindel"
Das von der Volksdeutschen mitgebrachte, "in Polen tradierte" handschriftliche Textkonvolut war nichts anderes als eine Abschrift aus einem polnischen Gartenkalender. Weitere Nachforschungen und der versteckte Hinweis auf eine Autorin namens "Marie Claire" ergaben, dass auch dieser polnische Gartenverlag lediglich abgeschrieben bzw. "abübersetzt" hatte, und zwar aus der französischen Frauenzeitschrift "Marie Claire" (sic!).
Der Göttinger Verleger Bert Schlender fuhr also nach Frankreich zur Redaktion "Marie Claire" und verbrachte einen ganzen Tag im Archiv dieses angesehenen Magazins. Dann war das Rätsel gelöst: Anfang der siebziger Jahre erhielt die französische Kulturjournalistin Paule Delsol von der Redaktion den Auftrag, einige neue "alte" Horoskope zu entwickeln. Paule Delsol machte sich an die Arbeit und so entstand nach eingehenden Studien der jeweiligen Kulturen ihre Folge von "Horoscopes insolites", unter anderem ein "Horoscopes Gaulois" (das vorliegende "Keltische Horoskop"), ein "Horoscopes Arabes" (inzwischen ebenfalls auf deutsch erschienen!), ein "Horoscopes Tibetains" (das noch auf seine deutsche Entdeckung wartet) und verschiedene andere. Paule Delsol hatte sich mit viel Fingerspitzengefühl in die Gedankenwelt und die Ueberlieferungen der jeweiligen Völker hineingedacht und so die verschiedenen Horoskope entwickelt. So auch das "Keltische Baum-Horoskop" welches geradezu kongenial die Gefühlswelt der keltischen Gallier und ihrer Beziehungen zu den Bäumen widerspiegelt. So könnte also ein keltisches oder gallisches Horoskop ausgesehen haben, wenn es eine gesicherte Überlieferung gäbe.
Aber spielt es denn eigentlich eine Rolle, ob dieses "Baum-Horoskop" überliefert oder erfunden wurde? Wenn wir uns in den Charakteriologien wiedererkennen, dann ist das ebenso richtig oder falsch, wie bei unserem besagten Horoskop mit den zwölf Sternzeichen. Wer sagt uns denn, ob nicht auch dieses astrologische System einmal irgendwann von irgend jemand erfunden wurde?
Das Nachspiel
Doch hat die Geschichte des "Keltischen Baumhoroskopes" noch ein amüsantes Nachspiel. Die bekannte Boulevardzeitung und ihre Subverlegerin Cornelia Ahlering aus Hamburg, die sich so standhaft weigerten, ihre Lizenzen zu bezahlen, hatten sich für ihre diversen Taschenbücher natürlich "fachlich kompetente" Hilfe geholt. Bekannte Astrologen wie z.B. Alexander Morin oder Peter Wutta oder aber Gerhard Ritter in einem grossen Taschenbuchverlag, hatten sich alle auf die alte "keltische Tradition" berufen. Auch der Autor des Buches "Keltischer Baumkreis", Michael Vescoli, wies das Ansinnen, er habe aus dem Göttinger Buch "Bäume lügen nicht - Das keltische Horoskop" abgeschrieben, weit von sich. Was alle diese "Fachleute" übersehen hatten, war die Tatsache, dass sich auf den verschlungenen Wegen von der französischen Frauenzeitschrift über den polnischen Gartenkalender bis zu der Göttinger Ausgabe ein schlichter "Uebersetzungsfehler" eingeschlichen hatte:
Die "falsche" Zeder
So wurde aus dem Zeichen "Micocoulier" ( 09.-18.02. + 14.-23.08. ), dem schönen, in Frankreich beheimateten Zürgelbaum den die Polen natürlich nicht kannten, die den Kelten unbekannte "Zeder". Und alle anderen, in Deutschland erschienenen "Keltischen Baumhoroskope", die sich auf alte Traditionen berufen, enthalten diese "Zeder". Auch dann, wenn das mit rhetorischen Verrenkungen verbunden ist, um zu erklären, wieso ausgerechnet die den Kelten unbekannte Zeder in deren Horoskop vorkommen soll. (Zitat aus M. Vescoli: "Mancher Baumkenner wundert sich wohl, wie die Zeder in diesen uralten Baumkalender hineingeraten ist. Sie ist zwar der meistzitierte Baum in der Bibel, aber die erste Libanonzeder kam doch erst 1646 nach Europa und wurde im Pfarrgarten von Childrey im Themsetal gepflanzt.").
Mit anderen Worten, alle, alle haben aus dem Buch "Bäume lügen nicht - Das keltische Horoskop" des Göttinger Verlages Bert Schlender abgeschrieben.
Wir auch! Nur mit dem entscheidenden Unterschied, dass wir - der Smaragd Verlag - die ausdrückliche Genehmigung des Verlages Bert Schlender haben (und uns dafür bedanken). Und dass wir diesen "entlarvenden" Uebersetzungsfehler selbstverständlich korrigiert haben. So brachten wir also im Jahre 1995 das "Keltische Baumhoroskop" heraus, angereichert um das Wissen der mittelalterlichen Heilkundigen, und so, wie es vor rund zwanzig Jahren entwickelt wurde. An Stelle der "falschen" (und vor allem: den Kelten unbekannten) Zeder, steht nun der "richtige" [[Zürgelbaum]], in dessen mediterranen Schatten sich Generationen von Kelten oder Galliern labten.
Kein Ende abzusehen
Aber natürlich wird weiter abgeschrieben: So brachte im Herbst 1997 ein bekannter Verlag aus Niedernhausen (der auch schon die Esoterik als marketingträchtigen Bereich entdeckte!) ein weiteres "Keltisches Baumhoroskop" heraus (und natürlich schrieb die Autorin Carla Ludwig wieder bei der Göttinger "Urfassung" ab, und natürlich war wieder die "Zeder" enthalten!). Aber der besagte Verlag topte das Ganze noch einmal, indem er schlicht den schönen Titel unseres Verlages klau... pardon: verwendete! Es gibt in Deutschland zwar einen rechtlichen Titelschutz - aber das schert so grosse Unternehmen wenig: bis das auffällt, haben die längst ihre Ernte eingefahren. Und weil nun zwei unterschiedliche "Keltische Baumhoroskope" auf dem Markt sind, nennen wir unsere kleine Geschenkausgabe (die ein Auszug aus unserer Originalausgabe ist) nunmehr:
"Das ECHTE Keltische Baumhoroskop"!