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Demokratieverständnis

Kritische Betrachtungen zu demokratischen Entwicklungen

Demokratie bedeutet nach dem altgriechischen «Herrschaft des Staatsvolkes». Dies kann mit unterschiedlichen Systemen mehr oder weniger zutreffen. Demokratien anerkennen im Idealfall die Gewaltentrennung, welche in der Verfassung festgeschrieben ist. Ihr Ideal ist die Volksherrschaft. Ihr Ziel ist der Schutz der Rechte des Individuums. Dafür werden Gesetze verfasst, die entweder von einer Mehrheit der Bürger oder einer Mehrheit von Parlamentariern angenommen werden müssen, damit sie in Kraft treten können. Ihre Legitimität erhält sie aus den Stimmen der Bürger. Je höher die Stimmbeteiligung, je höher die Legitimität. Da jedes Individuum eine Stimme hat, sind Gleichberechtigung und Gleichbehandlung Grundsätze der Demokratie. Alle sind vor dem Gesetz gleich.

Die Demokratie braucht die Diskussion, sie braucht einen Debattierraum. Für die gewählten Vertreter politischer Parteien sind das, das Parlament (Debatte der Volksvertreter) und der Senat (Debatte der Landesvertreter). Ein weiterer Debattierraum ist die Öffentlichkeit. Dieser Debattierraum wird hauptsächlich von den Medien gestaltet und geführt. Soviel zu meinem Verständnis von Demokratie.

Es fühlt sich an, wie wenn sich unsere Demokraten langsam aber bestimmt von ihren Grundsätzen entfremden. Statt das Individuum zu schützen werden vermehrt Interessengruppen geschützt. Am stärksten ausgeprägt kann man das an ehemals staatlich geführten Unternehmen wie Post und Bahn, Spitälern in Randregionen, aber auch an staatlich verordneten Versicherungen erkennen. Die Werbung um «gute Risiken» bei Versicherern und Einstellung unrentabler Randversorgung bei Post und Bahn sowie der Gesundheitsversorgung deuten darauf hin, dass es weniger um den Schutz der Leistungen für alle geht als vielmehr um den Schutz der Renditen der entsprechenden Leistungsanbieter. Mit einem Auge auf die Debatten rund um Traditionen und religiöse Bräuche wird es ebenfalls sichtbar.

Ein Beispiel:
Der Staat, also wir die Bürger, haben beschlossen, dass Zwangsheirat nicht geht. Mit diesem Beschluss soll das Recht der Mädchen auf eine freie Partnerwahl geschützt werden. Ein solcher Schutz wird aber erst dann wirksam, wenn bereits früh in den Schulen das Unrechtsempfinden der einzelnen Kinder bezüglich solcher Traditionen gelehrt und gestärkt wird und ihnen gleichzeitig aufgezeigt wird, an wen sie sich vertrauensvoll wenden können, wenn sie den Verdacht haben, dass ihnen Unrecht geschieht. Hört man aber der öffentlichen Debatte zu, so dreht es sich gar nicht um den Schutz der Mädchen. Deren Leid wird lediglich instrumentalisiert um die Ausgrenzung einer ganzen Glaubensgemeinschaft zu untermauern, welche dafür verantwortlich gemacht wird, dass sie solches Unrecht dulde oder gar mit ihren Traditionen fördere.

– Da fällt mir ein, es ist in unserer Demokratie noch nicht so lange her, dass Frauen kein Stimmrecht hatten. Oder erinnern sie sich noch an die Verdingkinder? Oder wann geschahen die Missbräuchen an unseren Kindern in kirchlichen Organisationen? –

Wir laufen Gefahr überheblich zu werden, weil wir unsere zivilisatorischen Errungenschaften als die einzig richtigen anzusehen geneigt sind und diese Errungenschaften nun anderen Kulturen vorschreiben wollen. Auswüchse dieser Überheblichkeit mündeten, zum Beispiel in der Schweiz, in der Annahme der Eidgenössischen Volksinitiative «Gegen den Bau von Minaretten». Das kann nicht gut gehen. Nur ein kontinuierlicher Prozess der Aufklärung schafft Überzeugung. Wenn wir gegen Traditionen, die nicht unserem Rechtsempfinden entsprechend vorgehen wollen, so geht das nur mit Aufklärung und nicht mit Ausgrenzung. Um den Einzelnen zu schützen müssen wir auch einzelne aufklären und integrieren. Wenn wir Mädchen vor Zwangsheirat schützen wollen hilft kein Verbot zum Bau von Minaretten in der Verfassung. Viel mehr sind solche Symbole der Angst vor Fremdem, gute Argumente und damit Wasser auf die Mühlen der Traditionalisten, die bekanntlich Zwangsheirat befürworten. Die Stigmatisierung und Ausgrenzung von Volksgruppen, gleich welcher Gesinnung, Herkunft oder Religion führt nicht zum Schutz des Individuums sondern verschärft und begünstigt die Missstände noch zusätzlich, weil die Betroffenen, in unserem Fall die minderjährigen Mädchen, welche die Zwangsheirat zu befürchten haben, verunsichert werden im Glauben, dass wir nur das Beste für sie wollen, und dass sie sich vertrauensvoll an uns wenden können, an die Gesellschaft, die gerade ausgedrückt hat, dass die Religion, der sie selber angehören unerwünscht ist. Würden sie ihre Herkunft und Identität in Frage stellen, um den Schutz einer solchen Gesellschaft zu bekommen? Glauben sie, dass vorpubertäre Kinder gegen die Argumente ihrer Eltern ankämpfen?

Ich glaubte damals den Worten meiner Mutter wie auch den Worten der Lehrer und kann mich nicht erinnern, dass ich zu dieser Zeit bereits eine politische Meinung gehabt, noch alle unsere Traditionen verstanden hätte.

Wenn ich heute auf das politische Jahr 2018 in der Schweiz zurückschaue so fallen mir spontan zwei Themen der Volksabstimmung vom 25.11.2018 ein, die heiss diskutiert wurden. Ein Thema war die Volksinitiative «Für die Würde der landwirtschaftlichen Nutztiere (Hornkuh-Initiative)». Im Wesentlichen ging es darum, dass Bauern, welche den Kühen die Hörner nicht verstümmeln, eine Prämie bekommen sollten. Die Initianten führten ein umfangreiche Liste von Argumenten in die Debatte. Sie argumentierten hauptsächlich mit dem ethischen Grundsatz des Tierschutzes. Im ersten Moment schien die Absicht eine edle und tierfreundlich zu sein. Doch wenn man den Sinn des Textes mit anderen Worten formuliert, ist man etwas überrascht. Das Volk soll Menschen belohnen die sich ethisch korrekt verhalten. Würde man einer solchen Initiative zustimmen wäre das ähnlich, wie wenn im Strassenverkehr Korrekt-Parker einen Bonus bekommen und Falschparker liesse man weiter falsch parken, natürlich ohne Sanktionen. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass die Initiative vor das Volk kam und am 25.11.2018 abgelehnt wurde.

Das zweite Thema war «Gesetzliche Grundlage für die Überwachung von Versicherten», das intensiv, emotional als auch kontrovers diskutiert wurde. Auch hier gilt, ich möchte mich nicht auf die Diskussion mit all ihren Argumenten während des Abstimmungskampfes einlassen. Es ging darum, dass Versicherungen gegen Individuen, welche in Verdacht gerieten Versicherungsleistungen zu erschleichen, eine rechtliche Grundlage für eine Überwachung durch private Detektive erhalten, also selbständig Überwachungen anordnen und durchführen dürfen. Bisher waren Überwachungen nur nach richterlicher Anordnung möglich und wurden von staatliche ermächtigten Organen wie z.B. der Polizei erfüllt. Nun sollen die Leistungserbringer, wohl gemerkt eine Partei des Versicherungsvertrages, ermächtigt werden solche Überwachungen mit Privatdetektiven zu ermöglichen. Die Betrachtung in diesem Text um demokratisches Verständnis geschieht unter dem Gesichtspunkt, dass das Ideal der Demokratie die Volksherrschaft ist und ihr Ziel, der Schutz der Rechte des Individuums. Es war vorher schon ein Straftatbestand Versicherungsleistungen zu erschleichen. Und es gab vorher schon die Möglichkeit bei begründetem Verdacht die Polizei einzuschalten. Könnte es sein, dass dieses Gesetz zum Schutz der Renditen der Leistungserbringer beschlossen wurde? – Ein Schelm, wer Anderes denkt! Oder erwarten Sie, dass aus den Einsparungen, welche aus so überführten Übeltätern gemacht werden, Prämienreduktionen resultieren? Auch hier sei der Vollständigkeit halber erwähnt, dass die Gesetzesvorlage vor das Volk kam und am 25.11.2018 angenommen wurde.

Es fällt auf, dass oft edle Gesinnung und gute alte Werte auf den Plakaten stehen, sich aber niedrige Absichten in Form von Ausgrenzung von Minderheiten oder der Gier nach Macht und Geld, als treibende Kräfte dahinter verstecken.

 

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Über den Autor

HW

HW

Hallo, ich bin Hermann.

Ich bin der Vater von drei Kindern, die mir alles bedeuten. Ich kam am 13.08.1961 in Winterthur zur Welt. Das war der Tag, an dem die Berliner Mauer gebaut wurde. Sie hielt bis zum 9.11.1989. Ich stehe noch. Allerdings hat mich diese Mauer immer und immer wieder beschäftigt. Sie steht für eine gewaltsame Trennung von Menschen. Die freiwilligen Trennungen sind aber auch nicht besser. Ich weiss es. Ich bin schon dreimal geschieden. Diese Webseite entsteht für meine Kinder. Danken möchte ich all den lieben Menschen, die mich mein Leben lang begleitet, inspiriert und geliebt haben. 

Ich bin auch der Betreiber dieser Webseite und für die Inhalte verantwortlich.

 

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